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Der Meiseberg

Eine arme Frau aus Ballenstedt, die auf dem Wege nach Quedlinburg war, um Geschirr und Nahrungsmittel für die Kindtaufe einzukaufen, geriet in einen Schneesturm und verirrte sich. Nach langer Wanderung erkannte sie die Meisberger Gegend und fand dort unter einer Baumwurzel ein winziges Hufeisen, das sie als Glücksbringer in ihre Tasche steckte. „Gib das Eisen her“, erschreckte sie eine raue Stimme. Als sie sich umwandte, erblickte sie einen zorneswütigen Zwerg, der es ihr entreißen wollte. Die Frau weigerte sich, es herauszugeben. Daraufhin blies das Männlein in sein Horn, und aus dem Felsspalt schlüpften Scharen von hässlichen Zwergen, die sie mit Spottgelächter und drohenden Gebärden umringten. Sie erstarrte vor Entsetzen, ließ das Eisen fallen und flüchtete in den Wald. Plötzlich hörte sie in der Nähe das Jammergeschrei eines Kindes. Sie eilte der Stimme nach und fand unter einer Baumwurzel ein verletztes Zwergenkind. Sie verband seine Wunden mit einem Tuchstreifen und tröstete es, bis es ruhig war. Indessen trabte der alte Zwerg auf einem kleinen Pferd heran: „hab keine Angst, ich tue Dir nichts zu leide, weil Du ein mitfühlendes Herz hast,“ sagte er freundlich, “nimm aber nie wieder ein kleines Hufeisen mit, sonst muss einer aus unserem Volk sterben. Wenn Du aber einmal in Not bist, so komme an diesen Ort zurück und rufe 'Fredeke', es soll nicht umsonst sein.“ Darauf hob er das Zwergenkind auf sein Pferd und ritt davon. Die Frau freute sich, denn als sie zu Hause ankam und fand sie einen reich gedeckten Tisch mit köstlichen Speisen und Getränken, darunter auch einen mit Silbertalern gefüllten Krug. Nun hatte alle Not ein Ende und sie feierten eine glückliche Kindtaufe. Mitunter geschah es, dass Leute, die von den Wichtelmännern beschenkt werden wollten, zum Meisenberg wanderten und 'Fredeke' riefen. Aber niemand zeigte sich ihnen, nur schien manchmal, als tönte ein fernes Hohnlachen aus den Felsspalten.