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Die Geschichte des Salzbergbaus in Staßfurt und Umgebung

Sachsen-Anhalt ist ein Salzland. Im vorigen Jahrhundert spielte der Raum Aschersleben-Staßfurt beim Salzbergbau eine Vorreiterrolle. Bevor der Salzbergbau begann, wurde das Salz in Salinen gewonnen. Salinen sind Anlagen zu Gewinnung von Kochsalz durch Sieden oder Verdunstung. Zwischen 1839 und 1851 begann man in Staßfurt mit ersten Versuchsbohrungen auf dem Salinengelände. Die Ergebnisse waren positiv. Die preußische Regierung fasste daraufhin im November 1851 den Entschluss, zwei Salzschächte zu graben. Schon im Dezember wurde auf dem Staßfurter Salinengelände der Grundstein für den ersten Salzschacht gelegt. Dieser Schacht erhielt den Namen des preußischen Ministers „von der Heydt“. 1852 folgte in unmittelbarer Nähe ein zweiter Schacht, der nach dem damaligen preußischen Ministerpräsidenten „von Manteuffel“ benannt wurde. Mit diesen beiden Schächten in Staßfurt wurde im Weltmaßstab eine neue Entwicklung in der Salzgewinnung eingeleitet. Das Ziel der Schächte war, möglichst reines Steinsalz zu fördern. Aber die Entwicklung nahm einen ganz anderen Verlauf. Das erste Steinsalz wurde aus einer Tiefe von 250 m gefördert. Das salzhaltige Wasser wurde in eine Saline in der Nachbarschaft gebracht. Zusammen mit dem Salz kamen auch Steine wie Gips, Anhydrit oder bunte Salze ans Tageslicht. Die Begleitgesteine und bunten Salze wurden gleich neben den Schachtanlagen bis hin zur Bode auf Halden abgelagert. Unmittelbar neben den beiden Schächten befand sich die Zuckerfabrik von Bennecke und Hecker. Dort arbeitete seit 1858 der Chemiker Dr. Adolf Frank. Dieser stellte fest, dass der Pflanzenwuchs in der Nähe der Halden besonders üppig war. Zur gleichen Zeit entdeckte der Chemiker Justus von Liebig die Bedeutung der Elemente Stickstoff, Phosphor und Kalium für das Pflanzenwachstum. Dr. Adolf Frank erkannte nun, dass das Kalium in den bunten Salzen der Auslöser für das üppige Wachstum der Pflanzen auf den Halden war. Das Kalium war in den Kaliummineralen meistens mit dem schädlichen Chlor und Magnesium verbunden. Es musste also von den schädlichen Bestandteilen getrennt werden.

1861 bekam Frank ein Patent und eröffnete im gleichen Jahr eine kleine Fabrik in der Atzendorfer Straße, heute das Gelände von Chemieanlagen Staßfurt, kurz CAS genannt. Das war die Geburtsstunde der Kaliverarbeitenden Industrie in Staßfurt. In der Folgezeit entstanden im Stadtgebiet zahlreiche chemische Fabriken. In den Fabriken wurden auf Grundlage der Salze z.B. Soda, Schwefelsäure, Brom und andere Grundstoffe der chemischen Industrie hergestellt. In der Blütezeit existierten in Staßfurt 33 chemische Fabriken. Sie alle produzierten ohne Rücksicht auf die Umwelt verschiedene Abfälle und Luftschadstoffe. Umweltschutz war zu jener Zeit noch unbekannt. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zeit großer Erfindungen und technischer Entwicklungen. Es ist aber auch eine Zeit großer Technologiegläubigkeit, alles erschien machbar. Die Nachfrage nach Kalisalzen aus dem Staßfurter Raum ist groß, der Konkurrenzdruck zu den neu entstandenen Abbaugebieten Aschersleben und Westeregeln enorm. Das verführte die Staßfurter zu einem risikoreichen Abbau der Salze. Aus Unkenntnis über die Eigenschaften des Bodens und der Wassersituation wurden große Fehler gemacht. Die Folge waren Bergschäden in Form von erdbebenähnlichen Erschütterungen oder Grubeneinbrüchen. Ausgangspunkt ist die Grube Leopoldshall auf der anhaltischen Seite Staßfurts. Hier begannen die untertägigen Brucherscheinungen und Zerstörungen. Erste Erdbewegungen erfolgten 1883. Das Wasser strömte immer mehr in die Grube, die stärksten Pumpen versagten. Im Jahr 1900 wird die Schachtanlage Leopoldshall I und II aufgegeben. Innerhalb weniger Wochen füllt sich die Grube mit salzigem Wasser. Der Salzlauge stand kein natürliches Hindernis im Weg und so griff das Wasser auch auf die anderen Staßfurter Gruben über. Deren Schicksal war damit besiegelt. Die Bergleute versuchten zwar, das Übertreten des Wassers durch eine mächtige Sperrmauer zu verhindern, doch es nützte nichts. 1912 wurden die im Stadtgebiet liegenden Gruben aufgegeben und ab 1920 überflutet.

Die Gruben lagen direkt unter bewohntem Gebiet. Das Zubruchgehen der unterirdischen Bergbauhohlräume führte an der Erdoberfläche zu einem plötzlichen Einbrechen der Erde. Das passierte in Leopoldshall 1879. Dieser Bruch wurde zum größten Teil verhüllt und ist heute das bekannte Strandsolbad Staßfurt an der Bernburger Straße. Der letzte große Bruch ereignete sich 1975 zwischen den Neustaßfurter Schächten. Der Bruch hatte eine Fläche von 1,4 ha. Weniger spektakulär, aber dafür für die Einwohner von großer Bedeutung sind die Oberflächensenkungen. Vom Strandsolbad erstreckt sich über das Stadtzentrum bis zum Stadtteil nördlich der Bode ein Senkungsgebiet mit verschiedenen Senkungszentren. Mit den Senkungsmessungen wurde 1883 begonnen. Ein Senkungszentrum ist der „Große Markt“ in Staßfurt. Dieser senkte sich seit 1883 um etwa 6,30 m. Als die Gruben 1920 alle vollgelaufen waren, sank auch die Oberfläche nicht mehr so stark ab. Im überwiegenden Teil des Senkungsgebietes werden heutzutage Senkungen von 10 mm pro Jahr gemessen. Das Senkungsgebiet ist ein Bergschadengebiet von etwa 200 ha Größe mitten in der Stadt Staßfurt. In ihm sind Schäden an Wohngebäuden, an Industrie- und Verkehrsbauten und sonstigen Einrichtungen zu verzeichnen, die in der Vergangenheit zu flächenhaftem Abriss führten. Der Turm der Johanniskirche stand lange Zeit als „schiefer Turm von Staßfurt“ symbolisch für die Bergbauschäden bis er nach einem Brand in den 60ern abgerissen wurde. Seit vielen Jahrzehnten werden die am tiefsten abgesenkten Teile des Stadtzentrums durch ständiges abpumpen trocken gehalten. Das abgepumpte Wasser ist stark salzhaltig. Es wird durch eine Leitung in die Bode transportiert und belastet die Umwelt sehr stark. Durch das Abpumpen ist zwar die Innenstadt trocken, aber die Gefahr der Oberflächensenkung noch nicht gebannt. Die Problematik wurde bereits mehrmals von Experten untersucht.

Seit 1878 gab es im Bergschadensgebiet Gebirgsschläge. Unter Gebirgsschäden versteht man erdbebenartige Erschütterungen, die durch das plötzliche Zusammenbrechen unterirdischer Bergbauhohlräume entstehen. Sie führten zu Schäden an Gebäuden und beunruhigten die Bevölkerung sehr stark. Gebirgsschläge sind jedoch selten geworden. Seit 1978 wird in Staßfurt eine hochempfindliche seismische Überwachungsanlage vom zuständigen Bergamt betrieben. Seit sie in der Lage schon geringste Untergrunderschütterungen zu registrieren. Seit Ende des 19. Jahrhunderts werden zur Senkungskontrolle die Höhenunterschiede an mittlerweile über 600 Festpunkten der Stadt gemessen. Diese Maßnahmen dienen der Vorsorge gegen plötzlich oder langfristig eintretende Bergschadensereignisse. In Friedrichshall befanden sich die anhaltinischen Ersatzschächte für die abgesoffenen Schächte in Leopoldshall. Ende 1929 wurde hier planmäßig die Kalisalzförderung eingestellt und bis 1936 nur noch Steinsalz gefördert. In der Nazizeit legte man dann unter Tage wehrwirtschaflich wichtige Tanklager an. Von 1945 bis 1947 stand der Doppelschacht unter der Verwaltung der sowjetischen Besatzungsmacht. Da man den dem Zurückhalten des Wassers nach dem Krieg nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte konnte auch das Kaliwerk Staßfurt als Nachfolgebetrieb nach 1947 das Problem nicht mehr in den Griff bekommen. 1950 war der Doppelschacht abgesoffen und die unterirdischen Wasser drangen in Richtung "Ludwig II" und den "Berlepsch"-Schacht vor. Mit der Stilllegung des letzten Kalischachtes Neustaßfurt VI am 31.12.1972 kam der Staßfurter Kalibergbau endgültig zum erliegen. Zur Vermeidung der bekannten Bergschäden durch Ersaufen des Grubenbaus wurde eine planmäßige Flutung von 1973 bis 1979 mit Natriumchloridsäure durchgeführt. Ein großer Tagesbruch entstand 1975 auf einem freien Feld zwischen den Schächten Neu-Staßfurt VI und VII. Das Solfeld Neustaßfurt ist ein Rest der ehemals so umfangreichen Salzgewinnung in Staßfurt. Hier wird Süßwasser in die unterirdische Salzhöhle gepumpt und so das Steinsalz aufgelöst. Dann wird das salzige Wasser heraufgepumpt und dient der Sodafabrik Staßfurt als Grundstoff.