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Das Tor zum Harz

Aschersleben gehört sicherlich nicht zu den großen kulturhistorischen Orten Deutschlands. Kein gotischer Dom prägt das Zentrum, kein berühmtes Museum macht auf sich aufmerksam, kein spektakulärer Musentempel lockt Jahr für Jahr Tausende von Besuchern an. Dennoch hat Aschersleben weit mehr aufzuweisen als man gemeinhin vermutet. Man muss schon auf Sagen und Legenden zurückgreifen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie alt Aschersleben tatsächlich ist. Bereits vor der ersten urkundlichen Erwähnung, Mitte des 8. Jahrhunderts in einer Schenkungsurkunde des Klosters Fulda, lässt sich der Standtort, als eine Siedlung germanischen Ursprungs nachweisen. Etwa im 3. bis 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ließ sich der Volksstamm der Warnen zwischen den bodenständigen Völkerschaften Mitteldeutschlands auf unserem Gebiet nieder. „Ascegereslebe“, die Hinterlassenschaft eines Mannes mit dem Namen Asceger, war die Bezeichnung jenes Ortes, der die Wurzeln Ascherslebens bildete. Begünstigt durch die gute Verkehrslage wurde er zum Hauptort der Grafschaft Aschersleben, die im 11. Jahrhundert an die Askanier gelangte. Hier stand die Stammburg Albrechts des Bären, hierher wurde zum Grafenthing eingeladen. Nach dem Aussterben der Ascherslebener Linie der Askanier, 1316, fiel Aschersleben an das Bistum Halberstadt und kam 1648 zum Kurfürstentum Brandenburg.

So wurde Aschersleben schließlich preußisch. Das Ende des Dreißig-jährigen Krieges beendete auch die wichtige historische Bedeutung. Aus einer schlichten Landstadt mit überwiegend bäuerlicher Bevölkerung entwickelte sich erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Industrieregion. Angeregt wurde diese Entwicklung durch Kohle- und Salzfunde, die zu einer weiteren Gewerbeansiedlung führten. Eine starke Landwirtschaft, auf einem der fruchtbarsten Böden Deutschlands, trug dazu bei, dass sich eine Fülle von kleinen Reparatur- und Servicebetrieben entwickeln konnte, die wenig später zu großen Unternehmen wurden. In den gefahrvollen Zeiten des 14. Jahrhunderts war der Bau von Stadtbefestigungen besonders wichtig, da kriegerische Unruhen eine ständige Gefahr bedeuteten. Nachdem die Witwe Ottos II., des letzten Grafen von Aschersleben, ihren Bürgern die Erlaubnis erteilt hatte, die Stadt mit einer festen Mauer zu umgeben, entstand eine Stadtbefestigung die heute noch in großen Teilen erhalten ist. Es spricht sicherlich für den Reichtum, die Wehrhaftigkeit und nicht zuletzt für das Selbstbewusstsein der Ascherslebener, dass die Türme und Befestigungen ein wenig höher und stärker gerieten als jene der Nachbarstädte. Bis Heute blieben besonders wertvolle Baudenkmäler erhalten. Entlang des alten Stadtgrabens kann der Besucher auf einem Rundgang große Teile der Stadtbefestigung besichtigen.

Kernstück der Befestigungsanlage war die noch heute erkennbare Stadtmauer mit unterschiedlich gestalteten Schießscharten. Zur Erhöhung der Schutzkraft wurde die Stadtbefestigung durch die hohen Wehrtürme verstärkt. Sie vermitteln noch heute eindrucksvoll das Gesicht einer mittelalterlichen Siedlung. Um praktisch jeden Turm der Stadt ranken sich Legenden und Sagen, die noch heute lebendig sind. So erinnert die Wetterfahne in Form eines Kranichs auf dem „Schmalen Heinrich“ an jenen Vogel, der den übermüdeten Turmwächter weckte, sobald Gefahr drohte. Oder der Rabenturm, der seinen Namen dem an ihm vorbeiführenden Weg zum Gericht verdankte. Besonders interessant ist der höchste aller erhaltenen Türme. der Johannistorturm, 1380 erbaut, schützte er die Stadt vor Angriffen aus dem Norden, während das Tor durch ein besonders imposantes Fallgitter gesichert werden konnte. Übrigens trägt der Turm noch heute die Abbildung des Rats- und Stadtwappens, während sich auf der achteckigen Turmpyramide der brandenburgische Adler als Wetterfahne befindet. Erwähnen sollte man auch das so genannte Rondell- das jüngste und größte Bollwerk der Stadtbefestigung. Bis in das 18. Jahrhundert als Kanonenbastion genutzt, erhielt dieser Bau zu späterer Zeit einen Fachwerkoberbau, der schließlich als Wohnraum diente.

Vor dem Bahnhof finden Sie die Visitenkarte Ascherslebens: die Herrenbreite. Wohl kaum ein anderer mittelalterlicher Ort kann einen derart großen Platz im Zentrum aufweisen. Ursprünglich als Exerzier- und Festplatz angelegt, wurde die Fläche zu Beginn des 19. Jahrhunderts begrünt. Die Herrenbreite präsentiert sich heute als Erholungsgebiet mit gepflegten Blumenanlagen und unzähligen Bäumen. Verlässt man den Platz, gelangt man schnell in das eigentliche Zentrum. Vorbei an der ungewöhnlichen Architektur des Postgebäudes erreicht man zunächst das Bestehornhaus eine imposante Stiftung der Unternehmerfamilie Bestehorn. Besonders stolz waren die Bürger Ascherslebens seit jeher auf ihren Markt. Beherrscht wird dieser Platz vom selbstbewussten Bau des Rathauses, das geschickt miteinander verknüpfte Stilelemente in sich birgt und erst im Jahre 1935 durch den Architekten Dr. Heckner sein endgültiges Gesicht erhielt. Der älteste Teil des Rathauses ist zweifellos ein wehrhafter Turm, der an die Stadtbefestigung erinnert. Der Südflügel hingegen stammt aus den Jahren 1517-1518. Die Jahreszahl 1517 über dem Eingang zum Ratskeller bezeichnet vermutlich den ursprünglichen Eingang des Hauses. Blickt man hinauf zur Rathausuhr, fallen zwei Ziegenböcke auf, die zur vollen Stunde mit den Köpfen aneinander schlagen.

Die Legende berichtet von den unnachgiebigen Tieren, die schließlich ins Wasser fallen, weil sie sich auf schmalem Steg unvernünftig den Weg streitig machen. Eventuell ein nachhaltiger Hinweis auf die Kompromissfähigkeit von Ratsherren. So beherrschend das Rathaus auch sein mag, so interessant ist der frühgotische Bau der Marktkirche. Vom Bettelorden der Franziskaner im 13. Jahrhundert errichtet, beeindruckt der einschiffige Bau durch seine betont schlichte Ausführung. Nach der Flucht der Mönche 1525 diente das hohe Kreuzrippen-Gewölbe lange Zeit als Kornspeicher, bevor es schließlich als reformierte Kirche in seine ursprüngliche Bestimmung zurückgeführt wurde. Interessant auch die „Eiserne Elle“ am Rathausturm. Sie diente dem Marktmeister des Mittelalters zum Nachweis von Tuchmaßen gegen betrügerische Händler. Wichtig erscheint auch das gegenüberliegende Birnstielhaus. Es ist das schönste Zeugnis eines Bürgerhauses in Aschersleben. Seine aufwendige und kunstvolle Fachwerkarchitektur wurde erst kürzlich unter hohem finanziellem Aufwand restauriert. Das Bemühen der Ascherslebener Bürger um Repräsentation ist auf Schritt und Tritt spürbar. Nicht zuletzt die Berufung des Architekten Dr. Hans Heckner zum Stadtbaurat zeugt vom Bemühen, das Stadtbild unter einer einheitlichen Konzeption zu prägen.

Nicht allein das Bestehornhaus oder das Rathaus standen unter seinem Einfluss. Zahlreiche Bürgerhäuser wurden unter seiner Regie wichtige Bestandteile des Ortes. Der Krankenhausbau, aus dem Jahre 1912, galt durch die bewusst aufgebaute Atmosphäre von Geborgenheit und Wärme seinerzeit als richtungweisend. Wo immer Sie sich in Aschersleben umsehen, werden Sie bei genauerer Betrachtung reizvolle Details entdecken. Zum einen der Hennebrunnen am Rathaus- ein Werk Professor Wrbas, das den barocken Hauben des Rathauses und Treppenturmes angepasst wurde. Oder der Holzmarktbrunnen von Prof. Freidank, der an die ursprüngliche Bedeutung des Platzes als Lagerstätte für Feuerholz erinnert. Oder einfach nur die vielen kleinen Plätze, die verwinkelten Gassen und Straßen, deren Bürgerhäuser unzählige Details und Fassadengestaltungen zeigen, in denen sich praktisch alle wichtigen Stilepochen widerspiegeln. So finden Sie in der Worthstraße auffallend viele Jugendstilelemente, die in jüngster Zeit wieder entdeckt und liebevoll restauriert wurden. Auf einem Hügel an der alten Furt der Eine steht die Margaretenkirche und beherrscht trotz ihrer eher bescheidenen Ausmaße den Ortsteil „Über den Steinen“. Im Jahre 1303 wird sie zum ersten Mal urkundlich erwähnt, ihre Lage jedoch und der alte romanische Altar lassen sie älter erscheinen. 1410 wurde sie bis auf die Grundmauern eingeäschert und erst 1586 wieder erbaut.

Der Turm allerdings stammt vermutlich noch von der ursprünglichen Kirche. Im 17. Jahrhundert barock erneuert, zeigt sie sich als einschiffiger Bau mit einer flachen, gewölbten Holzdecke. Einen Taufstein von 1587, Kanzel und Bildnisse aus dem 17. Jahrhundert sowie ein spätgotisches Kruzifix beherbergend, wirkt sie eher bescheiden und verträumt. Wo immer Sie sich in Aschersleben umsehen, werden Straßenzüge durch ausgedehnte Grünflächen, Parks und Promenaden unterbrochen. In der Tat haben die Bürger Ascherslebens seit jeher darauf geachtet, die Natur mit einzubeziehen. Aber auch jenseits der Ortsgrenzen erstrecken sich ausgedehnte Park- und Erholungsanlagen mit zahlreichen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Die „Alte Burg“, eine ehemalige Wall- und Fliehburg aus germanischer Zeit, können Sie über einen liebevoll angelegten Naturpfad erkunden. Die Reste einer mittelalterlichen Festungsanlage finden sie inmitten des abwechslungsreich gestalteten Tierparks. Das nahe liegende Planetarium wartet mit Vorträgen und Demonstrationen auf, während der Gondelteich im Einetal mit seinen Ruderbooten zu einer beschaulichen Kahnpartie einlädt. Interessant und in ausgezeichnetem Zustand zeigt sich auf der „Alten Burg“, die als Hexenturm bekannte Westdorfer Warte. Sie ist Zeugnis eines ausgedehnten Wach- und Warnsystems aus dem 14. Jahrhundert. Auch den sportlichen Gästen Ascherslebens können wir einiges bieten. Wem es nicht genügt, durch die gepflegten, verkehrsfreien Anlagen zu joggen, der findet auch ein attraktives Freibad zum schwimmen. Es liegt „unter der alten Burg“ und somit inmitten einer idyllischen Waldumgebung. Noch heute nennt man die Ascherslebener „Möhrenköppe“. Die Legende berichtet davon, dass Möhren klug machen und man deshalb die fehlende Klugheit durch den reichlichen Genuss von Möhren kompensieren kann. Immerhin waren die Bürger des Ortes intelligent genug, ihre Möhren ins Kraut schießen zu lassen um daraus den teuer bezahlten Samen zu gewinnen.